Von Bavaria nach Cimbria
Jahresausflug des bayerischen Cimbern-Kuratoriums in die XIII Gemeinden stärkt deutsch-italienische Freundschaften
Ein Reisebericht von Heike Arnold
Wenn am Ende einer viertägigen Reise die Teilnehmer unisono von dem Erlebten schwärmen und gleich sechs neue Mitglieder gewonnen werden konnten – ja, dann kann der Hauptverantwortliche – in diesem Falle Jakob Oßner, 1. Vorsitzender des Cimbern-Kuratorium Bayern e. V. – getrost zu später Stunde in Velden als letzter „das Schiff“ verlassen und zufrieden nach Hause zurückkehren.
Von der ersten Stunde bis zur letzten herrschte unter den 42 Reisenden ein harmonisches Klima. Bestens unterhalten von Prof. Dr. phil. Reinhard Heydenreuter, der die Cimbern-Geschichte aus dem Stehgreif kennt, verging die Zeit bis zum schon obligatorischen Stopp zum Mittagessen in San Michele bei Fam. Zeno wie im Flug. Während der Fahrt durch das schöne Inntal fand der humorige Historiker zahlreiche Beispiele dafür, dass ja "alles schon mal da war" – von der „Globalisierung“, die bereits im 15. Jahrhundert von den Fuggern vorangetrieben wurde bis zum Gulden, dem Euro des blühenden Mittelalters.
Geschichte ist beruhigend.
Selbst die legendären Staus am Brenner, weiß der Professor zu berichten, sind keine Erscheinung der Moderne. Lediglich die Fahrzeuge haben sich verändert – von den von Rössern gezogenen, unbequemen und Wind und Wetter ausgesetzten Fuhrwerken der Klöster bis zu PS-starken Turbodiesel-Lkw und Reisebussen mit höchstem Komfort an Bord. Und auch der seit einigen Jahren heftig beklagte Klimawandel ist nichts, was die – Gott hab sie selig – Cimbern des Mittelalters nicht auch schon kannten. War dieser Wandel – verbunden mit einer Bevölkerungsexplosion, die von den steigenden Temperaturen begünstigt wurde – doch ein Grund dafür, aus dem geliebten Bayern ins fremde Italien auszuwandern und dort neue Existenzen zu begründen.
Geschichte ist lebendig.
Rund 10 Jahrhunderte sind seit der Völkerwanderung der Bayern nach Italien vergangen und umso mehr freut es die Teilnehmer der Reise, dass die Geschichte der Cimbern bis heute lebendig geblieben ist. Alte bairische Traditionen und die deutsche Sprache werden bis heute in den XIII Gemeinden[1], dem diesjährigen Reiseziel, gepflegt. Auch wenn es während der Begrüßung durch die "Böllerschützen" in Badia Calavena, der Besichtigung der Gemeinde unter der Führung des Bürgermeisters Ermano Asnelmi, beim Besuch des Zimbern-Museums in Giazza oder der Besichtigung der Außenanlagen der "Villa Sagramoso" nicht gänzlich ohne den sprachlichen Beistand der Übersetzerinnen Charlotte Schulz und Nina Geiselbrechtinger ging, klappte die Verständigung mit den "kulturellen Erben" der ausgewanderten Bayern insgesamt sehr gut – vor allem beim Genuss von Wein, Käse und Gesang. Denn ein "Aaah" und "Oooh" als Ausdruck höchster Zustimmung wird glücklicherweise weltweit verstanden.
Geschichte ist genießbar.
Dass sich die diesjährige Jahresfahrt des bayerischen Cimbern-Kuratoriums zu einem „Festival für die Sinne“ entwickeln würde – damit hatte wohl zunächst keiner der Teilnehmer gerechnet. Während beim Besuch der Käserei "La Casara" in Roncà mit Verkostung der 100% biologischen Käse-Schmankerl und der Weinverkostung in der Kellerei "Sandro de Bruno" vor allem die Gaumen verwöhnt wurden, kamen am Abend des 04. Oktobers im „Sporting Hotel San Felice“ in Illasi die Ohren in einen Genuss, der nur schwer in Worte zu fassen ist.
Einer der besten Chöre Europas, der >>> Coro Tre Torri aus Tregnano (VR) – Partnerchor des Wurmshamer Männerchores - machte der Reisegruppe mit 20 männlichen Sängern seine Aufwartung. Und verursachte mit Tönen von Dur bis Moll und der wunderbar klaren Alt-Stimme eines der ältesten Sänger des Chores so manche Gänsehaut. Wen wundert’s, dass nach dieser professionellen Darbietung heiterer und melancholischer Lieder, vorgetragen in italienischer und cimbrischer Sprache, die "Revanche" in Form der Bayern-Hymne nicht allzu spektakulär ausfiel. Gleichwohl: Es zählt allein der Wille, und die Geste der Freundschaft und Verbundenheit wurde von den Sängern des Coro Tre Torri mit viel Freude und Applaus quittiert.
Noch am Tag darauf beim Besuch der "Arena di Verona" machte eine kleine Gruppe um Jakob Oßner auf dem obersten Rang des Amphitheaters der nachhaltigen Begeisterung für den Chor mit einer – zugegeben sehr verhaltenen – erneuten Darbietung der Bayern-Hymne Luft.
Leider kannte der Wettergott am Tag zwei der Reise keine Gnade, so dass die Stadt von „Romeo und Julia“ unter der angenehmen und interessanten Führung von Dr. Franklin Baumgarten (Sohn eines früh nach Amerika ausgewanderten Österreichers und einer dort kennengelernten New Yorkerin) nur unter dem Regenschirm zu erobern war. Die Vorfreude auf den anschließenden Besuch der Außenanlagen der "Villa Sagramosa" bei Illasi blieb dennoch ungetrübt und wurde nicht enttäuscht.
Der sonntägliche Besuch der neuen Wallfahrtskirche "Grotta di Lourdes" in Chiampo und der nochmalige Halt zur Einkehr im Lokal der Familie Zeno bildeten den willkommenen Abschluss einer ebenso abwechslungsreichen wie lehrreichen Jahresfahrt des Cimbern-Kuratoriums. Dank der sehr guten Vorbereitung und mit Unterstützung durch Adlkofener Cimbern-Freunde sowie Nina Geiselbrechtinger (Tochter des verstorbenen früheren Landrats des Landkreises Landshut) vor Ort kann ein durchweg positives Fazit gezogen werden. Ein Dank ist an dieser Stelle dem Chauffeur Christian Pitz geschuldet, der trotz engster Gassen und Plätze immer einen Weg fand, Bus und Insassen gesund und munter zu ihren Zielen zu bringen.
Geschichte ist.
Durch Reisen wie diese die Freundschaften und Partnerschaften zwischen den deutschen Sprachinseln in Italien und Vereinigungen, Vereinen und Gemeinden in Deutschland zu pflegen und die gemeinsame Geschichte der Bayern und Cimbern immer wieder aufzufrischen, ist eines der Hauptziele des bayerischen Cimbern-Kuratoriums. Dank moderner Technologien wie dem Internet sind die Pflege der Beziehungen über die Distanz und das neudeutsch so genannte „Networking“ wesentlich einfacher geworden. So findet beispielsweise in Cimbern-Gruppen auf Facebook ein regelmäßiger Austausch statt, und auch die Webseiten von Organisationen in beiden Ländern tragen zu einem aktuellen Informationsaustausch bei.
Geschichte, um es mit Prof. Heydenreuter zu sagen, war nicht, Geschichte ist.
Eine Erkenntnis, die beruhigt und uns gelassener in die gemeinsame europäische Zukunft blicken lässt. ---#